Chau Asphalto, Holá Ripio

Sandy Beach- Coyhaique 104km

Der nächste Tag hält was er verspricht. Die Sonne strahlt schon am Morgen vom Himmel und der blaue Himmel wird nur von wenigen weissen Wölkchen durchzogen. Dafür weht ein kalter Südwind, sodass Urs in seiner Hängematte im Schatten seine Daunenjacke tragen muss, während Franziska im Bikini, an einem windgeschützten Ort die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut geniesst. Es wird so heiss, dass später auch noch ein eisig kaltes Bad im Río Maniguales angesagt ist. – By the way – wenn wir die Möglichkeit hatten, sind wir bis jetzt jedesmal am Ende eines harten Fahrtages, egal wie das Wetter gerade war, ins kühle Nass gesprungen. Allen voran Urs! So verläuft der Tag ruhig und relaxt. Wir geniessen die Ruhe zu zweit – bis gegen Nachmittag schliesslich eine chilenische Familie auftaucht. Vater, Mutter und 7 jähriger Sohn, sowie zwei Mitarbeiter (ein Mann und eine Frau). Sie bringen ihre ganze Ausrüstung mit, inkl. einem grossen Lautsprecher aus dem Reggaeton ertönt. Der Vater kommt sofort zu uns rüber und zeigt uns sein Lachsfilet, macht daraus Carpaccio, beträufelt es mit Zitronensaft und wenig Salz und macht frischen Koreander darüber. Er bietet uns mehrmals davon an. Wir sind begeistert, es schmeckt super lecker. Auch die Fischsuppe, die er kocht schmeckt uns vorzüglich. Sie beschenken uns auch mit reichlich Bier, Sekt und Wein. So verbringen wir den restlichen Tag mit ihnen und versuchen noch unser Glück mit dem Fischen mit einer selbstgebastelten, einfachen Vorrichtung. Ein Stück Rohr, wo der Silch einfach drumherum gewickelt, und der Köder so ausgeworfen und von Hand wieder augfewickelt wird. Pedro, der Vater, erzählt uns, dass seine Frau bei einer Lachsfirma gearbeitet hätte, und er selbst, Zimmermann sei. Die Mutter liegt den ganzen Tag auf einer Decke, isst, trinkt Wein und schläft auch immer wieder mal ein. Viellecht hatte sie in der Nacht gearbeitet? Irgendwann werden wir von Pedro zu sich nach Hause eingeladen. Sie wollen dass wir gleich mitkommen, so könnten sie unsere Fahrräder gleich auf ihren Pickup laden. Wir lehnen dankend ab, da wir die Nacht lieber noch am schönen Sandy Beach verbringen wollen, sagen aber zu, dass wir sie am nächsten Tag in Puerto Aysen besuchen werden. Da wir sowieso erst Übermorgen einen Couchsurfer in Coyhaique haben, passt dies eigentlich recht gut einen kleinen Abstecher zu machen. Sie geben uns ihre Adresse und verabschieden sich von uns. Warscheinlich gut sind wir nicht jetzt schon mit ihnen mitgefahren, Pedro hatte auch bereits einiges intus, und ist trotzdem noch gefahren. So geniessen wir wieder die Ruhe bei einem Feuer und schlafen danach rasch ein.

Am Morgen packen wir in Ruhe unsere Sachen. Wir haben heute nur etwa 40km vor uns. Als wir losfahren, macht sich jedoch starker Gegenwind bemerkbar. An der Kreuzung nach Puerto Aysen überlegen wir nochmals kurz, ob wir nicht doch lieber direkt nach Coyhaique, und der Besuch bei Pedros Familie auslassen sollen. Aber schliesslich wollten wir ja die chilenische Kultur besser kennenlernen, und wie geht das besser als in einer Famile? Wir sind noch zu früh als wir in Aysen ankommen und überbrücken die Zeit in einem gemütlichen Kaffee. Puerto Aysen selbst wirkt weniger gemütlich. Wir kaufen noch kurz ein und bringen unseren Gastgebern eine Flasche Rotwein. Als wir zur abgemachten Zeit bei ihnen eintreffen, ist noch Niemand da. Wir warten ca. 30min. bis sie dann alle zusammen angefahren kommen. Sie waren in Coyhaique und haben Bluetooth Kopfhörer eingekauft. Sie zeigen uns den Weg zu ihrem Heim. Es befindet sich versteckt, hinter einem Haus in einer sehr einfachen, sehr kleinen Blechhütte. Es trifft uns fast der Schlag…schon auf dem Weg dorthin überall Müll. Die „Wohnung“ bestehend aus einem Raum mit Küche, Esstisch und einem Schlafplatz, ein kleines Badezimmer und ein weiteres Schlafzimmer. Auf dem Esstisch stehen alte Esswaren herum, im Abwaschbecken und auf dem Herd stapelt sich das Geschirr, eingekrustete Fettschicht in den Pfannen und im Bad liegt überall Dreckwäsche herum. Wir hoffen dass dies nur das Zuhause seiner „Mitarbeiter“ ist und wir gleich noch ins Haus nebenan geführt werden. Leider nein…Kaum sind wir angekommen, verkriecht sich der Sohn in sein Zimmer um Fernseh zu schauen auf dem Flachbildschirm und die Eltern genehmigen sich ein, zwei, drei Gläser Rotwein, sodass sie schnell eine 1 1/2Liter Flasche geleert haben. Sie schienen schon vorher angetrunken zu sein. Die Mutter sitzt auf dem Bett herum und lässt sich von ihrem Mann bedienen. Pedro wollte eigentlich ja was kochen, vergisst es aber immer wieder und möchte, dass Franziska kocht. Diese möchte aber in dieser Küche nichts anrühren und der Apettit ist uns sowieso schon längst vergangen. Da es aber schon spät ist, können wir auch nicht einfach wieder gehen…Schliesslich bringen wir doch noch Reis mit geräuchertem Thunfisch zustande und essen anstandsweise ein paar Bissen. Wein lehnen wir dankend ab, lieber einen klaren Kopf bewahren. So rasch wie möglich verabschieden wir uns dann und gehen zu Bett. Wir dürfen das Zimmer ihres Sohnes benützen und dieser schläft bei ihnen im Bett. Wir machen unsere Schlafsäcke zusammen, sodass wir relativ sicher sind und nirgends ankommen, wo wir nicht ankommen möchten. Urs schläft rasch ein. Doch für Franziska wirds eine kurze Nacht. Sie hat die ganze Zeit Angst, dass die Fahrräder geklaut werden oder sonst was Unangenehmes passiert. Um etwa drei Uhr am Morgen wachen unsere Gastgeber auf und machen den Fernseher an. Wir hören, wie Pedro seine Frau im vollen Ernst fragt, ob sie ein Bier möchte. Später steht sie auch auf und öffnet unsere Weinflasche welche wir als Geschenk mitgebracht hatten und sie trinken diese. What the ***?!

Am Morgen stehen wir um halb acht auf, ziehen uns an, packen unsere Velos und nehmen reisaus. Das war ein neuer, zeitlicher Rekord! Kaffee lehnen wir ab mit der Begründung, dass unsere Mägen dies nicht vertragen würde so früh. Zähne putzen, Gesicht waschen, WC etc. machen wir dann unterwegs. Wir sind einfach nur froh fort zu sein.

Der Weg nach Coyhaique hat es dann ebenfalls noch in sich. Das Wetter ist wechselhaft und wir haben sehr starken Rückenwind, der uns zeitweise sogar den Berg hinauf schiebt. Da er die Richtung auch mal schnell wechseln kann, müssen wir sehr konzentriert bleiben, damit wir nicht das Gleichgewicht verlieren.

Wir sind froh als wir ankommen und wir uns auf einer Parkbank bei Sonnenschein stärken können. Später treffen wir unseren Couchsurfer, Joachim in einem Kaffee. Er macht einen sehr sympathischen Eindruck auf uns. Wir gehen zusammen zu seinem kleinen, feinen Holzhäuschen und richten uns ein. Nach Gestern ist dies eine Wohlfühloase!

Wir waschen Kleider, duschen kurz und gehen dann nochmals in die Stadt, welche grösser ist, als wir gedacht hatten. Wir gehen mit zwei Freunden von Joachim und einem weiteren australischen Päärchen Pizza essen (eine echt leckere, fast italienische Pizza). Es ist eine gute Stimmung, aber wir werden heute nicht mehr alt.

Am nächsten Tag sind wir sehr geschäftig mit Wäsche waschen, Kocher putzen, Einkaufen, Grundversicherung wechseln (im letzten Moment!), die kommende Rute planen und zNacht kochen und Brot backen. In der Stadt treffen wir zufällig Conny und Gilberto wieder. Wir verabreden uns für den kommenden Tag um 11.00 Uhr bei der Tankstelle, um die kommende Strecke wieder gemeinsam fortzusetzen. Der Abend verbringen wir gemütlich bei Joachim, welcher uns noch weitere wertvolle Tips für unsere Weiterreise geben kann. Er selber ist aus Madrid und arbeitet als Tourguide. Vor Coyhaique hatte er in Torres del Plaine gewohnt und gearbeitet, weshalb er die Gegend sehr gut kennt. Danach gehen wir schlafen. Unsere Sachen wieder frisch, neu gepackt und ready für Ripio.

Coyhaique – Puerto Rio Tranquilo 217km

Es ist Freitagmorgen und wir haben uns bei der Copec Tankstelle Ausgangs Coyhaique mit Conny und Gilberto für die Weiterfahrt verabredet. Wir treffen uns um 11:30 und fahren gemeinsam los. Doch schon nach 500 Metern halten wir erneut. Conny hat seit sie in Coyhaique angekommen sind Probleme mit ihrem linken Oberschenkel. Starke Schmerzen plagen sie und sie war deswegen auch schon beim Arzt. Conny hoffte, dass eine Weiterfahrt dank Medikamenten möglich sei, doch die Schmerzen sind zu stark. Unter Tränen gesteht sie sich ein, dass eine Weiterfahrt keinen Sinn macht – sie hatte sich so sehr auf den südlichen Teil der Carretera gefreut. Die beiden kehren um und wir machen uns alleine auf den Weg nach Puerto Rio Tranquillo.

Schon kurz nachdem wir Coyhaique verlassen verändert sich die Landschaft dramatisch. Anstatt der grünen Wälder ist plötzlich alles kahl. Es gibt einzelne Wälder, diese wurden jedoch, auf peinliche Art und Weise wieder aufgeforstet. Die Bäume stehen exakt in Reih und Glied, sind alle gleich gross und alt. Ausserdem wurde nur eine Art gepflanzt. Das ganze wirkt sehr künstlich. Man erahnt, dass der Auftraggeber der Wiederbeforstung wohl keinen Sinn für die Natur hatte. Der Grund, dass eine Wiederbeforstung hier überhaupt nötig ist, liegt darin, dass man ganze Regionen abgebrannt hat um eine Besiedlung und landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen.

Etwa nach 30 km Fahrt erreichen wir einen Nationalpark. Dieser wurde auch aufgeforstet, wurde teilweise aber von den Flammen verschont. Die Landschaft ist sehr schön (und hügelig) und suchen uns nach etwa 67km & 1200hm einen Schlafplatz. Wildes campen ist im Park verboten, zum Glück gibt es aber einen einfachen Zeltplatz. Warmes Wasser oder Elektrizität gibt es hier nicht, dafür lässt sich auch der Ranger nicht blicken, um die Gebühr fürs Übernachten einzukassieren (vielleicht hätten wir uns 200m weiter bei der Nationalpark-info melden sollen;)).

Auf dem Camping treffen wir auch Elke und Harald, ein deutsches Auswanderer-Ehepaar, welches ihr Haus in Australien vermietet hat und nun eine grosse Fahrradreise durch den amerikanischen Kontinent macht. Beide sind sehr freundlich, wir tauschen interessante Geschichten aus und sie offerieren uns gleich etwas von ihrem Wein.

Am nächsten Tag sind die beiden schon am zusammenpacken, als wir aufstehen und machen sich auch etwas früher auf den Weg. Wir trinken gemütlich unseren Kaffee und folgen ihnen mit ca 2 Stunden Verspätung. Wir dachten, dass sie eine andere Route wählen, ansonsten wäre man wohl zusammen weitergefahren.

Wir planen am Abend erneut wild zu campieren. Gute Plätze gibt es ca alle 15km. Die Route ist im Vergleich zum Vortrag etwas flacher, doch schon kurz nach der Abfahrt erfasst uns heftiger Gegenwind. Wir merken sofort: „Heute wird‘s Streng!“. Die erste Hälfte des Weges führt tendenziell bergab, wegen des Gegenwinds merken wir davon aber nichts und schaffen pro Stunde knapp 12km. Die Mühen werden aber weiterhin mit fantastischen Landschaften belohnt.

Um die Mittagszeit erreichen wir Cerro Castillo, essen selbst-gemachtes Brot mit Käse & Gurken und gönnen uns einen Kaffee in zwei stylish umgebauten Bussen.

Der Wind weht immer noch stark und unser Weg führt nun während 10km über einen kleinen Pass und vorallem durch eine Baustelle. Die Chilenen bauen hier eine betonierte Strasse, zur Zeit ist sie aber erst einseitig „fertig“ und wir müssen meistens durch weichen Baustellenkies fahren. Zum ersten mal auf unserer Reise steigen wir vom Fahrrad und müssen schieben.

Nach der Baustelle wird der Weg wieder besser und wir fahren hinunter in ein wunderschönes Tal. Unten angekommen werden wir aber gleich von noch heftigerem Gegenwind erfasst und am Horizont ziehen schwarze Wolken auf. Was für ein Tag!

Wir müssen aber noch 16km fahren bis zu unserem Schlafplatz, werden verregnet und es ist schon spät nachmittags. Für die 16km brauchen wir mehr als zwei Stunden. Doch wir beissen durch und sind überglücklich als wir bei unserem schönen Wildcamp Spot ankommen. Und siehe da, Elke und Harald sind auch schon da, sie sind eine stunde früher als wir angekommen. Ausserdem steht noch ein Camper eines Franzosen in der Nähe.

Zur Feier des Tages entschliesst Urs bei Kälte und leichtem Regen ein kurzes Bad im nahen, eiskalten Bach zu nehmen. Franziska fühlt sich herausgefordert und entschliesst sich deshalb auch für einen Sprung ins kalte Wasser. Wir machen uns bereit, und Sekunden bevor wir in den Bach springen wollen, kommt der Franzose angerannt und bietet uns, wohl aus Mitleid, eine warme Dusche in seinem Camper an. Wir stehen aber schon mit einem Fuss im Bach und lehnen deshalb dankend ab. Zum Abendessen gibts Pasta und etwas Pisco (Schnapps) offeriert von Elke und Harald.

Der nächste Tag gestaltet sich einiges angenehmer. Wir werden zwar weiter verregnet, doch ist es wärmer und der Wind bläst nun von hinten. Nach einem kleinen Bergpreis gleich zu Beginn kommen wir gut vorwärts. Am Nachmittag lässt dann auch der Regen teilweise ganz nach.

Bereits um 16h00 haben wir unser Zelt aufgeschlagen und gönnen uns erneut ein Bad in einem eisigen Fluss. Im Vergleich zum Vortag war dieser Tag ein Klacks.

Wir befinden uns mitten im Nirgendwo und entschliessen uns deshalb noch einen Tag weiterzufahren und dann in Puerto Rio Tranquillo ein paar Ruhetage einzulegen. Bis dorthin sind es schliesslich nur noch 40km und das Profil flach. Der Tag sollte aber schlussendlich der schwerste der Etappe werden. Geteerte Strassen gibt es zwar schon seit der Baustelle nicht mehr (und wird es die nächsten zwei Wochen auch nicht mehr geben) doch wurde die Oberfläche der Feldwege, welche hier besonders schlecht sind, durch den vielen Regen zusätzlich aufgeweicht und die Strasse ist für Fahrräder eigentlich nicht fahrbar. Wir treffen unterwegs auch bloss einen Motorradfahrer, alle anderen Reisenden bleiben wohl lieber irgendwo an der Wärme.

Glücklich kommen wir in Puerto Rio Tranquillo an und nehmen uns für die Erholungszeit eine Unterkunft mit Dach. Die letzten Tage hatten es echt in sich. Wir beschliessen hier die schöne Landschaft zu geniessen und zu bleiben bis das Wetter wieder gut ist.

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